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Freitag, 27. September 2024

Warum fuzzy accessibility? 8 Trauma der Sozialisation 5

Worin besteht das Trauma der Sozialisation?

Das Trauma besteht in einer nicht mehr aus der Welt zu schaffenden Verwundung, die dadurch geschlagen wird, dass einem sehr hohen normativen Anspruch an dem, was als eine von Menschen gemachte Wirklichkeit angesehen wird, kein genauso hoher Erfüllungsgrad des Gelingens entspricht. Von Menschen gemacht, also von Menschen änderbar, aber man sieht jeden Tag: es passiert nicht. Es könnte sich also um einen Irrtum handeln.
Diese Einsicht kann jedoch aufgrund der Verwundung nicht akzeptiert werden, weil der normative Beharrungsvorbehalt genauso mächtig wie aussichtslos ist.

Das Individuum sieht sich verantwortlich gemacht für eine Welt, an deren Zustandekommen es kaum einen messbaren Anteil hat, und wird - allen Vergiftungen zum Trotz - stets daran festhalten, dass es selbst verantwortlich sei, bekannt unter dem Spruch: "Jeder kann hier und jetzt etwas tun." Es liege an jedem Einzelnen. Weil mehr nicht zu sehen und mehr nicht zu machen sei.

Mit dieser ideologischen Verblendung wird die ökologische Krise seit Jahrzehnten abgefeiert. Es handelt sich dabei um einen brutalen Pessimismus, der nach der Maxime verfährt: "Alles Entscheidende ist bekannt, alles weitere ist nur Werbung für die richtige Sache."

Ein bekannter Wissenschaftskaspar des deutschen Fernsehens hatte dies einmal mit folgendem Satz auf den Punkt gebracht: "Es gibt kein Erkenntnisproblem. Es gibt nur ein Durchsetzungsproblem."

Schwärzer kann man die ökologische Problemsituation nicht beschreiben.

Mittwoch, 25. September 2024

Warum fuzzy accessibility? 7 Trauma der Sozialisation 4

Wer wäre nicht mit der Vorgabe einverstanden, welche besagt: "Du bist selber für dein Handeln verantwortlich!"

Einverstanden kann man mit einer solchen Vorgabe nur dann sein, wenn Voraussetzungen erfüllt sind, durch die eine solche Verantwortungsübernahme mit der Möglichkeit verbunden ist, ihr auch gerecht zu werden.
Man muss Chancen haben, das heißt: Lebenschancen. Und zwar möglichst viele! Denn nur dann kann man mit dem wahrscheinlichen Scheitern an dieser Vorgabe einverstanden sein, denn das Scheitern an dieser Vorgabe führt in dem Fall nicht zum Scheitern am ganzen Leben, sondern nur zum Scheitern an einer bestimmten Lebenschance. Sollte sich also durch irgendwelche Umstände an einer Stelle eine Tür schließen, dann öffnet sich an einer anderen Stelle eine andere Tür.

Das Individuum als freigesetztes Subjekt bedarf vieler Lebenschancen, damit es sich mit den normativen Vorgaben einer undurchschaubaren und weithin unerklärbaren Welt einverstanden zeigen kann. Um diese Lebenschancen zu garantieren, muss sehr viel Musik veranstaltet werden, denn die Organisiertheit des Lebens bedarf auch beständiger Routinen des Muntermachens, des Weitermachens, des Durchhaltens auch dann, wenn sich die Verzagtheiten und Verdrossenheiten des Alltags überdimensional auswachsen.

Wenn man sich fragt, warum in den Wohlstandsländern des globalen Nordens soviel Energie aufwendet wird, dann mag man trefflich darüber sinnieren können, dass dieser Energieaufwand das genaue Korrelat für das Nichtwissen über die Bedingungen der Möglichkeit eines solchen Lebens ist.

Dienstag, 24. September 2024

Warum fuzzy accessibility? 6 Trauma der Sozialisation 3

Die gesellschaftliche Konstruktion der Person - gemeint ist die Umwandlung von sonst bedeutungslosen Menschen in Personen, die Wichtigkeiten anmelden können - wird durch eine Vielzahl von 'Sozialisationsagenturen' geleistet, die allesamt damit befasst sind, für jeden einzelnen eine im Lebensverlauf stetig anwachsende Komplexität von Sozialbeziehungen herzustellen.

Eine kleine Liste solcher Sozialisationsagenturen soll genügen:

  • Familien stiften Verwandschaftsbeziehungen;
  • Schulen stiften Beziehungen zwischen Schülern;
  • Vereine, Gruppen stiften Beziehungen zwischen internen und externen Adressen;
  • gewerbliche Dienstleister aller Art führen, nicht selten infolge massenmedialer Rezeption, Kontaktbegehren zusammen, z.B. Discothek.
  • staatliche Ämter und Behörden eröffnen Räume für Begegnung, Versammlung, Gespräch;
  • Parteien, Unternehmen, Organisationen aller Art lassen immer zu, dass ihre Mitglieder für einander bekannt werden, womit sich weitergehende Beziehungsnetzwerke ausdifferenzieren;
  • Massenmedien versorgen all diese Beziehungsanbahnungen mit Gesprächsstoffen, gilt insbesondere für das Entertainment-Business.

So verschieden all diese Sozialisationsagenturen auch immer sein mögen und so unterschiedlich ihre Leistungserbringung auch immer bewertet werden mag, so haben sie doch für den ganzen Sozialisationsprozess die Funktion, eine Uniformität der Realitätsvergewisserung zu erzeugen. Diese Uniformität hört auf den Namen 'Individualität' und besagt, kurz gesagt: jeder muss selber mit allem klar kommen. Individualität ist die Kollektivform der modernen Welt.

Damit ist die Sozialordnung der Individualität benannt. Sie verlangt eine rigorose Einordnung der Person unter das Diktum der 'Selbstverantwortung', inkl. aller Risiken, die sich ergeben, wenn man Zweifel an dieser Sozialordnung äußern und diese mit Wichtigkeit versehen will.

Montag, 23. September 2024

Warum fuzzy accessibility? 5 Trauma der Sozialisation 2

Menschen leben nicht in Gesellschaft, sondern mit ihr; und die Tatsache der Gesellschaft ist insofern eine "ärgerliche Tatsache" (R. Dahrendorf) als die Tatsächlichkeit darin besteht, dass man Gesellschaft nicht objektivieren kann. Man kann weder zu ihr hin, noch von ihr weg gehen. Die Tatsache der Gesellschaft lässt sich weder beweisen noch widerlegen. Da Gesellschaft jeder Objektivität entbehrt, kann man mit ihr nichts machen. Man kann sie nicht untersuchen wie man etwa einen Pfannekuchen untersuchen könnte. Und überprüfen kann man sie auch nicht. Die Gesellschaft kann man nicht anrufen und ihr die Meinung geigen. Sie hat keine Telefonnummer; sie entzieht sich jeder methodischen Behandelbarkeit, darunter fallen auch alle nur möglichen Weltverbesserungsversuche. Das geht alles nicht.

Das alles ist so dermaßen ärgerlich, dass die meisten professionellen Soziologen ein solches Nachdenken ablehnen und das Gegenteil behaupten, weil sie sonst nicht wüssten, was an ihren "Forschungen über Gesellschaft" noch wissenschaftlich wäre.
Man sieht: auch Soziologen sind von einem Sozialisationstrauma geprägt, das sie nicht so leicht abschütteln können.

Das Trauma der Sozialisation. Das ist ein gewiss kompliziertes Thema, über das man so lange reden kann wie die Erde sich um die Sonne dreht. In Hinsicht auf den Focus, um den es hier geht, soll der Punkt genügen, dass der soziale Prozess der 'Personenerschaffung' - man sagt auch: gesellschaftliche Konstruktion der Person - verbunden ist mit einer Vielzahl von psychosozialen Praktiken der Realitätsvergewisserung, die allesamt in den Ruinen einer alten Welt entstanden sind, die von Religion, Herrschaft, Gebieten und Gehorchen geprägt war.

Der Abwurf dieser alten Verhältnisse wird unter den Begriff der Emanzipation gefasst und bis heute gibt es manchen gelangweilten Professor, der sich einbilden darf, die Problemlage des 18. Jahrhunderts sei nach wie vor der aktuelle Stand der Dinge.

Sonntag, 22. September 2024

Warum fuzzy accessibility? 4 Trauma der Sozialisation 1

Die Gesellschaft kann mit Menschen zunächst wenig anfangen. Menschen zerlaufen sich im Raum, die einen dahin, die anderen dorthin, die einen machen dies, die andern das und was immer sie meinen, glauben, wollen oder beabsichtigen, kann für soziale Belange nicht schon deshalb von Bedeutung sein, nur weil es sich um Menschen handelt. Das ändert sich, wenn spezifizierbare Erwartungen vorliegen, die sich als anschlussfähig für Handlungen erweisen.

Eine wichtige Erwartungsspezifikation ergibt sich aus der Umwandlung von Menschen in Personen. Denn diese Umwandlung erzeugt einen Referenzzirkel von Zurechnungsfähigkeit und Adressabilität, der für ein gelingendes Leben wichtiger ist als das, was Vulgärmaterialisten zugrunde legen. Materialisten gehen stets davon aus, dass Menschen zuerst Tiere seien, die essen und schlafen wollen, die Schutz suchen und sich vermehren. Damit wollen sie glaubhaft machen, dass dies die elementaren Bedingungen für das Gelingen von Gesellschaft sind. Kein anderer Irrtum könnte größer sein.

Elementar für Gesellschaft ist nicht die Aufrechterhaltung von Lebensfunktionen. Denn die damit zusammenhängenden Probleme werden durch Gesellschaft sehr gut gelöst. Elementar ist dagegen die Aufrechterhaltung sozialer Strukturen, die diese Lösungen auf Dauer stellen. Und diese elementare Leistung gelingt auf dem Weg der Verwicklung von Menschen, die sonst nichts sind, die nichts haben und nichts können, durch Sozialisation und der Form der Vergesellschaftung, die aus Menschen Personen macht. Dieser Prozess ist elementar und beginnt sofort, sobald sich Leben ankündigt. Das Nähren eines Babys an der Mutterbrust ist in soziologischer Hinsicht nicht zuerst eine Maßnahme der Lebenserhaltung, sondern der Einstieg in einen Verwicklungsprozess zum Aufbau sozialer Beziehungen.

Es geht im Folgenden um Sozialisation und um das damit verbundene Erfahrungstrauma.